Dieser Artikel enthält Werbe-Links* und/oder werbende Inhalte. Mehr dazu liest Du hier!
Das erste Mal, dass mir eine junge Frau schrieb, sie sei auf Reisen vergewaltigt worden und hätte dadurch das komplette Vertrauen in sich und das Reisen verloren, wurde ich unsagbar wütend.
Ich wurde wütend auf die Person, die etwas, was uns eigentlich unendlich glücklich machen soll, in den Schmutz gezogen hat.
Ganz abgesehen von dem psychischen Schaden, den sie in den Grundfesten einer Persönlichkeit angerichtet hatte. Einer Frau, die vielleicht zuvor abenteuerlustig, lachend und begeistert durch die Welt zog.
Als mir vor ein paar Tagen eine weitere Leserin schrieb, sie sei nachts in einem vietnamesischen Zugabteil sexuell belästigt worden, hätte sich mutig und deutlich zu helfen gewusst, aber danach trotzdem stundenlang wach gelegen und geweint, fühlte ich mich wieder einmal hilflos und wütend.
Sie bat mich darum, auf Pink Compass erneut davor zu warnen, dass solche Situationen auf Reisen passieren.
Wenn Du meinen Blog aufmerksam verfolgst, weißt Du das auch bereits.
Ich schreibe darüber, welche Risiken es als Alleinreisende gibt und wie Du sie meiden kannst.
Auch wenn ich dafür manchmal Gegenwind bekomme, vieles davon sei übertrieben.
Ich schreibe auf Pink Compass, wie Du Dir selbst helfen kannst, Dich vorbereiten kannst und welche Situationen Du meiden sollst.
Aber Tatsache ist: Selbst wenn Du alles richtig machst, alle Regeln befolgst und Deinen Verstand nutzt, kannst Du Dich einfach nicht vor allen Situationen schützen.
Ich weiß das aus eigener Erfahrung.
Immer wieder werde ich gefragt, ob mir auf Reisen schon einmal etwas Schlimmes passiert ist, und ich kann das stets mit Nein beantworten. Und mir selbst die Daumen dafür drücken, dass es so bleibt.
Was aber nicht bedeutet, dass ich nicht auch schon sexuell belästigt wurde.
Ich habe nur mit einer einzigen Person bisher darüber gesprochen, weil ich mir dumm vorkam und, ja, auch weil ich mich geschämt habe. Aber genau diese Gefühle sind es, die mich gleichzeitig schon wieder wütend machen.
Warum schämen wir uns für etwas, für das wir selbst nichts können?
Warum ist es uns peinlich, davon zu erzählen?
Weil es uns ganz tief im Innern berührt.
So tief, dass es etwas in uns anknackst und bei manchen Frauen sogar bricht.
Es zeigt uns nämlich, dass wir nie ganz sicher sind.
Dass wir als Frauen gewissen Situationen schutzlos ausgeliefert sind.
Zwei Tage bevor ich das letzte Mal aus Ubud abgereist bin, um nach Deutschland zu fliegen, war ich abends nach dem Essen auf dem Weg zu meiner Unterkunft.
Es war erst sieben Uhr abends, aber auf Bali herrschte schon absolute Dunkelheit. Auf Ubuds Straßen ist das allerdings gar kein Problem, denn das Gewusel von Motorrollern stirbt in den engen Gassen meist erst deutlich später.
Ich lief auf eine kleine Kreuzung zu, und zwischen den wechselnden Motorrollern versuchte ich nach rechts abzubiegen, als mir ein Motorroller-Fahrer auffiel, der auf der Abbiegespur angehalten hatte und wohl nach irgendetwas auf seinem Sitz suchte.
Mein Kopf brauchte eine Weile, um zu begreifen, auf was ich da blickte, als er inmitten dieses Gewusels seinen Penis auspackte und sich einen runterholte, den Blick durch seinen verschlossenen Helm definitiv auf mich gerichtet.
Ich war zu verdutzt, um in irgendeiner Form zu reagieren, also ignorierte ich ihn und lief demonstrativ an ihm vorbei.
Erst als er drehte und an mir vorbeifuhr, atmete ich wieder etwas auf, nur um ihn etwa 100 Meter vor mir wieder drehen zu sehen. Ich verlor ihn in dem immer noch brausenden Motorroller-Strom aus dem Blick und hielt die Augen auf meine sichere Unterkunft gerichtet, die in 300m Entfernung auf mich wartete.
Als ich allerdings an einem parkenden SUV vorbeilief, saß er im Dunkeln dahinter auf seinem ausgeschalteten Motorroller wartend und rief mir nach.
Endlich in meinem Zimmer angekommen, verunsicherte mich viel weniger, dass ich in Gefahr gewesen wäre, als viel mehr das nagende Gefühl, dass dieser Mann so ziemlich jeder Balinese der Insel hätte sein können.
Er könnte mich kennen, wissen, wo ich wohne, oder mir täglich begegnen.
Durch den Helm hatte ich sein Gesicht nicht sehen können. Zum ersten Mal in drei Jahren und nach vielen Besuchen war ich froh, Bali am nächsten Tag zu verlassen.
Genau das ist der Punkt, an dem uns sexuelle Belästigung am stärksten trifft.
Sie nimmt uns das Gefühl, sicher zu sein. Sie nimmt uns ein Stück unseres Selbstbewusstseins, unseres Optimismus und unserer Unbeschwertheit.
Es war gut, dass ich schon am übernächsten Tag abgereist bin, denn ich wollte nicht mehr in balinesische Gesichter schauen und mich fragen, ob dieser oder jener Typ, der mich gerade freundlich anlächelte, der Typ hinter dem Helm gewesen war. Ob er abends vielleicht darauf wartete, dass ich wieder unbeschwert mit einem Eis in der Hand und Musik im Ohr zu meiner Unterkunft laufe.
Wir haben keine Chance, uns gegen alle möglichen Szenarien zu schützen.
Auf Reisen genauso wenig wie zu Hause.
Aber wir haben die Wahl, wie wir damit umgehen.
Wir können diesen Idioten noch mehr Macht über uns geben, in dem wir uns einschränken, uns verunsichern lassen und völlig harmlosen Menschen misstrauen, oder wir können uns weiter an die normalen Sicherheitsregeln halten, versuchen, offensichtliche, riskante Situationen zu meiden, und darüber hinaus einfach unser Leben weiterleben.
Auch wenn jetzt das Schreiben dieses Artikels die Gefühle jenes Abends deutlich wieder aufleben lässt, habe ich bis zu dieser E-Mail vor ein paar Tagen nicht mehr an diesen Zwischenfall gedacht und auch keinen Zweifel daran, dass ich mit Freude nächsten Monat nach Ubud zurückkehren und sicherlich wieder abends diese Straße entlanglaufen werde.
Warum?
Weil ich weiß, dass es trotz dieser negativen Zwischenfälle, die definitiv immer wieder und überall passieren und passieren können, bleibt, was es ist:
Ein trauriger Einzelfall.
Und ich selbst entscheide, dass ich mir, von dem durchaus existierenden Risiko der sexuellen Belästigung als Alleinreisende, trotzdem nicht das nehmen lassen möchte, was das Reisen so unglaublich einzigartig macht:
den Kontakt mit den freundlichen, hilfsbereiten und sich um mich sorgenden Menschen, überall auf der Welt.
Denn sie sind definitiv in der Überzahl!
Lisa meint
Hey Carina,
danke für deinen Artikel. Über so etwas muss auch geredet werden. Beim Lesen habe ich mich stark an ein Erlebnis erinnert gefühlt, dass ich vor einigen Wochen hatte. Ebenfalls auf dem Nachhauseweg wurde ich vor meinem Hotel in Malaysia mit recht eindeutigem sexuellen Hintergrund angesprochen. Ob das schon sexuelle Belästigung war? Ich weiß es nicht. Aber das Gefühl der Sicherheit, aber auch der Unbeschwehrtheit, die ich auf Reisen so sehr genieße, wird einem dadurch leider genommen.
Nehmen lasse ich es mir aber dadurch sicher nicht!
Viele Grüße, Lisa
Carina meint
Liebe Lisa,
vielen Dank für Deine Worte!
Ja, die Grenzen sind schwammig, aber sobald es Dich nicht nur abstößt, sondern Dich klein und unsicher fühlen lässt, war es definitiv schon die Grenze bei Dir. Schön, dass Du Dich trotzdem nicht klein kriegen lässt!
Viele liebe Grüße,
Carina
Sonja meint
Hallo Carina,
Da Neuseeland ebenfalls auf deinem Plan steht (wenn ich mich recht erinnere):
Ich bin während meiner 2,5 Monate dort immer wieder mal angesprochen worden ob ich rauchen oder gar Sex wöllte, mein Nein hat aber jeder ohne Mucken akzeptiert. Einheimischer wie Traveller. 🙂
Schwarze Schafe gibt es überall aber es ist schon mal nicht verkehrt, sich an die gängigsten Sicherheitstipps zu halten. Und im Notfall seinen Schutzengel dabei zu haben.
Carina meint
Hi Sonja,
hm, ich glaube Australien und Neuseeland sind auch schon wieder so westlich, dass ich dort das Gefühl habe, eher zu wissen, wie ich damit umgehen kann oder zumindest einschätzen kann, wie ich mich verhalte.
Letztendlich ja, kann sowieso überall passieren.
Danke für den Tipp, ich bin gewappnet 🙂
Liebe Grüße,
Carina
Katharina meint
Liebe Carina,
Danke für diesen ehrlichen und Mut machenden Artikel! Mir ist jetzt erst in Hamburg (hellichter Tag, normal angezogen, unter etlichen Menschen) eine unangenehme Situation (sexuelle Belästigung) passiert und ich wohne in dieser Stadt. „Sicher“ ist man vor sowas ja nirgendwo, auch nicht zu Hause. Daher finde ich es ganz toll, dass du dich weiter für das Reisen aussprichst.
Liebe Grüße
Katharina
Diane meint
Liebe Carina
Finde Katharina’s Kommentar trifft es auf den Punkt: Im Prinzip kann einem sowas vor der heimischen Haustür passieren.
Mich hat mal ein Ägyptischer Zöllner zur „Privataudienz“ in sein Büro zitiert und hinter mir abgeschlossen. Das war auch alles andere als lustig und ich bin zum Glück mit dem Schrecken davon gekommen. …aber hey… sowas passiert leider leider -wenn man den Medien glauben darf- in so manchem Büro in Deutschland.
Insofern kann ich Dein Mutmachen voll und ganz unterstützen. Wachsam und vorsichtig sein, aber nicht einschüchtern lassen … und schon gar nicht vom Reisen abhalten lassen.
Frohes reisen – Diane
Carina meint
Hallo ihr zwei,
ja, sehe ich ganz genauso: passiert (leider) überall!
Vielen Dank für eure Kommentare und liebe Grüße,
Carina
Lan meint
Hi Carina,
ich finde es toll, dass du auch offen über die Tabuthemen redest. Ich konnte beim Lesen spüren, wie unangenehm die Situation ist und ich hätte tierisch, panische Angst bekommen. Ich hoffe, ich werde solch eine Situation nicht erleben müssen. Aber danke für deine Offenheit für das Thema, Carina!
Alles Liebe,
Lan
Carina meint
Hi Lan,
ja, das alles wieder in Erinnerung zu rufen war wirklich unangenehm.
Aber letztendlich sitzen wir dabei alle im gleichen Boot…
Und ich drück uns allen die Daumen, dass uns das in Zukunft erspart bleibt!
Liebe Grüße,
Carina
Martina meint
Ich bewundere dich dafür, dass du dir dadurch nicht den Mut nehmen lässt alleine zu reisen.
Ich würde niemals alleine als Frau reisen, da ich einfach zu ängstlich bin.Alleine der Gedanke, dass niemand weiß wo man sich gerade befindet, wenn dann doch etwas passiert ist für mich ein Kriterium dafür nicht alleine zu reisen. Trotzdem lese ich deinen Blog sehr gerne und finde es toll dass du dich das traust 🙂
Viktoria meint
Hallo Carina,
ich finde es toll, dass du dir dadurch nicht die Freude am Reisen nehmen lässt.
Mir ist sowas Ähnliches in Deutschland in einem vollbesetzen ICE passiert. Aber ich würde deshalb auch nicht auf die Idee kommen, in Deutschland nicht mehr mit dem Zug zu fahren.
Die traurige Wahrheit ist, das kann immer und überall passieren und hat nichts mit fremden Ländern zu tun.
Weiterhin viel Spaß beim Reisen!
Catherine meint
Hi,
ich stimme zu. Die paar Male, die ich richtiggehend begraptscht wurde (Brust oder Hinterteil), kann ich (erfreulicherweise) an einer Hand abzaehlen. Tatorte: Deutschland, Frankreich, Marokko, Mali. Das erste Mal war ich 12 Jahre alt, das letzte Mal war mit 28. Ich sehe die Gesichter der Maenner noch vor mir. Jede couleur vertreten…Was die Grenzfaelle (anlabern und rumnerven) angeht habe ich aufgehoert zu zaehlen. Man muss da auch aufpassen wie man reagiert. Neulich wurde eine Frau in Detroit, die einen Mann auf sein nerviges „catcalling“ angesprochen hat, von selbigem erschossen… Ich vermeide heikle Situationen, zu viel Alk etc. Aber dass man sich komplett schuetzen kann ist (leider) eine Illusion, die gefaehrlicherweise momentan wieder sehr salonfaehig ist.
Alexandra meint
Hallo Carina,
ein guter Artikel! Ich hoffe, dass er vielen Frauen Mut macht, die ähnliches erlebt haben und sich dadurch nicht von ihrer Reiselust abbringen lassen.
Mir ist ähnliches als Kind (!) passiert, auf dem Spielplatz „um die Ecke“. Schlimm genug! Auf Reisen ging bisher immer alles gut, allerdings bin ich auch bisher nur 2x allein gereist und sonst immer in Begleitung. Aber wie du schon schreibst, wenn man ein paar grundsätzliche Dinge beachtet, sind solche Taten (hoffentlich) wirklich nur Einzelfälle!
Auf starke Frauen und möglichst sicheres Reisen! 🙂
Carina meint
Hi Alexandra,
da ist mir jetzt bei Deiner Geschichte auch was wieder eingefallen, in der Grundschule.
Echt ätzend, was sich im Laufe des Lebens an solchen Erfahrungen ansammelt…
Und ja, darauf stoß ich mit an!
Liebe Grüße,
Carina
Maria meint
Hallo ihr alle!
Sexuelle Belästigung ist definitiv ein sehr wichtiges Thema!
Auch ich habe damit schon mehrfach Erfahrungen gemacht. Wuste mir zum Glück aber immer zu helfen. Alles was ich bisher erlebt habe ist in Deutschland passiert.
Nun bin auch ich gerade auf Reisen, allein.
Ich habe mich zum Glück nie entmutigen lassen.
Ich bin der Meinung Sexismus ist ein wichtiges Thema.
Wenn eine Situation zu stande kommt, die Mensch nicht will oder gar aushalten kann, denke ich sollte Frau versuchen laut darauf aufmerksam zu machen.
Z.b. Laut rufen und kommentieren was gerade passiert. „dieser Mann zeigt mir seinen Penis, ich möchte das nicht“
Je nach Ort natürlich auch auf Englisch.
Ich kann gut verstehen wenn nicht jede von uns das schafft, aber in einer belebten Gegend wird der Täter sicher vor schahm im Boden versinken. Und andere Menschen werden uns zur Hilfe kommen.
Carina, ich finde gut das du dieses Thema auf pink compas behandelst!
Alles Gute und vor allem gute Reise!
Carina meint
Hi Maria,
vielen lieben Dank für Deinen Input und den Kommentar.
Sehr gute Tipps!
Viele Grüße,
Carina
Kili meint
Danke Carina, dass du dieses unangenehme Erlebnis geteilt hast.
Wie die anderen schon erwähnt haben, gibt’s ja Drecksäcke leider überall – die beiden Male wo ich schlimm begrapscht wurde, waren auch zuhause in Deutschland.
Ein bisschen Off-Topic, aber:
Was ich manchmal auch schwer finde, ist wie höflich / freundlich man sein „darf“ in nicht-westlichen Kulturkreisen. Ich hatte z.b. in Indien das Gefühl, dass wenn ich meine für Europa oder USA normale Höflichkeit gegenüber Männern an den Tag lege, wird das gleich misinterpretiert & als Einladung für – überspitzt – eine Hochzeit und gemeinsame Zukunft oder einen One-Night-Stand empfunden. Das sind ja definitiv nicht die Signale, die ich aussenden will. Die Konsequenz ist dann bei mir häufig gewesen, dass ich dann halt wirklich unfreundlich / pampig sein muss, weil „normales“ Verhalten offensichtlich nicht „normal“ zu sein scheint. Was ich dann auch echt frustrierend finde, weil ich ja eigentlich ein Interesse an der anderen Kultur habe.
Wie gehst du denn damit um?
Steffi meint
Muss ich dir absolut recht geben! Ich wurde mit der Zeit immer zickiger, tatsächlich allen männlichen Einheimischen gegenüber, sogar den frechen Kindern, die mir teilweise ihren penis gezeigt haben. Und ich war in Indonesien. Das hat sich zum Ende hin etwas gelegt und ich hab auch Freunde gefunden, aber nun bin ich auf dem Weg nach Sri Lanka und Indien und werde dort hoffentlich wieder sehr bestimmt und für meine Verhältnisse unfreundlich auftreten müssen. Ich selbst finde das schade und fühle mich dabei nicht wohl. Aber sicherer. Ein bisschen.